Paul ist 18 Jahre alt und Klavierschüler, und er hat allen Grund,
nervös zu sein. Ihm steht ein großer Auftritt bevor, er
darf bei einem Konzert, das der Pianist Richard Kennington in San
Francisco gibt, die Noten umblättern. Richard ist nicht irgend
ein Pianist. Seit zehn Jahren ist er Pauls Idol. Als Paul die Garderobe
von Richard betritt, erhält er sofort ein Kompliment: »You
are the best-dressed page turner Ive ever seen«. Paul
freut sich.
Paul geht eine intensive emotionale und sexuelle Beziehung ein und
verspürt deshalb kein Interesse mehr daran, seine Gefühle
mit Musik auszudrücken. Die Musik war eine Ersatzbefriedigung.
Der Mann, der Paul um den Verstand gebracht hat, ist Richard. Die
beiden treffen sich in Barcelona wieder. Hier macht Paul mit seiner
Mutter Pamela Urlaub, während Richard ein Konzert gibt. Der naive
Fan und sein weltmännisches Idol haben Sex und eine kurze Affäre.
Paul nimmt die ganze Sache ernster als Richard, der sich bald bedrängt
fühlt.
Zurück in den USA, hat Paul einen One-Night-Stand mit Richards
Manager und Lebensgefährten Joseph Mansourian und ein festes
Verhältnis zu einem weiteren älteren Brancheninsider, dem
Talentsucher Alden. Keine Frage, Paul sucht einen Vaterersatz. Seine
Mutter schnüffelt derweil in seinem Koffer herum, findet schwule
Pornohefte und dreht durch. Vom Ehemann verlassen, ist sie überreizt
und doppelt verletzbar. Schnell findet sie einen Schuldigen: Richard.
Nichts ist, wie es zunächst scheint in Pons Film. Paul
wirkt auf den ersten Blick wie ein hilfloser Junge, doch sein Charakter
erweist sich als so robust wie sein Körperbau. Ihn kann nichts
aus der Bahn werfen.
Regisseur Ventura Pons darf nicht länger ein Geheimtipp bleiben.
Sein Werk ist genauso interessant wie das seiner Landsleute Pedro
Almodóvar, Bigas Luna und Julio Medem.
FOOD OF LOVE enthält eine jener köstlichen Sequenzen, die
einen Film aus der Bahn werfen und ihn dadurch stärken: Pauls
Mutter Pamela besucht eine Selbsthilfegruppe, in der sich Mütter
schwuler Söhne treffen. Sie ist noch total verklemmt, während
andere Mütter ganz offen über die sexuellen Gewohnheiten
ihrer Söhne reden (Top oder Bottom) und darüber, was am
gefährlichsten für ihre Gesundheit sein könnte. Als
eine Stärke des Films erweist sich auch, dass Paul sein Geheimnis
behält. Ist er unschuldig oder durchtrieben, wenn er mit älteren
Männern ins Bett geht? Warum soll er nicht beides zugleich sein?
Bei der ersten Pressevorführung sorgte FOOD OF LOVE überwiegend
für Entzücken unter den Journalisten. FOOD OF LOVE ist vielleicht
der erste wichtige Film mit intelligenten schwulen Protagonisten,
deren sexuelle Präferenzen irrevelant erscheinen. Paul, Richard,
Joseph und Alden denken viel an Sex, aber sie verfolgen auch Interessen,
die über Sex hinausgehen. Das sollte honoriert werden. Da das
Ballermann-Niveau mittlerweile auch die Schwulenszene erreicht hat,
da nicht mehr nur biersaufende Heteros »Ausziehn« brüllen,
gab es bei der Vorführung Zuschauer, die mehr sehen wollten,
die empört waren, dass bei den Sexszenen die Kamera oberhalb
der Gürtellinie blieb. Als wäre das ein Kriterium für
die Qualität eines Films!