Früchte der Liebe – FOOD OF LOVE

Montag, 13.10.2003, 20.15 Uhr



Paul ist 18 Jahre alt und Klavierschüler, und er hat allen Grund, nervös zu sein. Ihm steht ein großer Auftritt bevor, er darf bei einem Konzert, das der Pianist Richard Kennington in San Francisco gibt, die Noten umblättern. Richard ist nicht irgend ein Pianist. Seit zehn Jahren ist er Pauls Idol. Als Paul die Garderobe von Richard betritt, erhält er sofort ein Kompliment: »You are the best-dressed page turner I’ve ever seen«. Paul freut sich.
Paul geht eine intensive emotionale und sexuelle Beziehung ein und verspürt deshalb kein Interesse mehr daran, seine Gefühle mit Musik auszudrücken. Die Musik war eine Ersatzbefriedigung. Der Mann, der Paul um den Verstand gebracht hat, ist Richard. Die beiden treffen sich in Barcelona wieder. Hier macht Paul mit seiner Mutter Pamela Urlaub, während Richard ein Konzert gibt. Der naive Fan und sein weltmännisches Idol haben Sex und eine kurze Affäre. Paul nimmt die ganze Sache ernster als Richard, der sich bald bedrängt fühlt.
Zurück in den USA, hat Paul einen One-Night-Stand mit Richards Manager und Lebensgefährten Joseph Mansourian und ein festes Verhältnis zu einem weiteren älteren Brancheninsider, dem Talentsucher Alden. Keine Frage, Paul sucht einen Vaterersatz. Seine Mutter schnüffelt derweil in seinem Koffer herum, findet schwule Pornohefte und dreht durch. Vom Ehemann verlassen, ist sie überreizt und doppelt verletzbar. Schnell findet sie einen Schuldigen: Richard.

Nichts ist, wie es zunächst scheint in Pons’ Film. Paul wirkt auf den ersten Blick wie ein hilfloser Junge, doch sein Charakter erweist sich als so robust wie sein Körperbau. Ihn kann nichts aus der Bahn werfen.
Regisseur Ventura Pons darf nicht länger ein Geheimtipp bleiben. Sein Werk ist genauso interessant wie das seiner Landsleute Pedro Almodóvar, Bigas Luna und Julio Medem.
FOOD OF LOVE enthält eine jener köstlichen Sequenzen, die einen Film aus der Bahn werfen und ihn dadurch stärken: Pauls Mutter Pamela besucht eine Selbsthilfegruppe, in der sich Mütter schwuler Söhne treffen. Sie ist noch total verklemmt, während andere Mütter ganz offen über die sexuellen Gewohnheiten ihrer Söhne reden (Top oder Bottom) und darüber, was am gefährlichsten für ihre Gesundheit sein könnte. Als eine Stärke des Films erweist sich auch, dass Paul sein Geheimnis behält. Ist er unschuldig oder durchtrieben, wenn er mit älteren Männern ins Bett geht? Warum soll er nicht beides zugleich sein?
Bei der ersten Pressevorführung sorgte FOOD OF LOVE überwiegend für Entzücken unter den Journalisten. FOOD OF LOVE ist vielleicht der erste wichtige Film mit intelligenten schwulen Protagonisten, deren sexuelle Präferenzen irrevelant erscheinen. Paul, Richard, Joseph und Alden denken viel an Sex, aber sie verfolgen auch Interessen, die über Sex hinausgehen. Das sollte honoriert werden. Da das Ballermann-Niveau mittlerweile auch die Schwulenszene erreicht hat, da nicht mehr nur biersaufende Heteros »Ausziehn« brüllen, gab es bei der Vorführung Zuschauer, die mehr sehen wollten, die empört waren, dass bei den Sexszenen die Kamera oberhalb der Gürtellinie blieb. Als wäre das ein Kriterium für die Qualität eines Films!

 












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